Das bisher Unsichtbare sichtbar machen – dieses Vorhaben lässt ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Leibniz-IPHT Wirklichkeit werden: Innovative spektroskopische Methoden erlauben die bei der Photokatalyse ablaufenden Prozesse in bisher nicht erreichter Auflösung und Genauigkeit zu beobachten. Dafür sind Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić, Dr. Linda Zedler und Dr. Carolin Müller am 19. April 2023 mit dem 25.000 Euro dotierten Thüringer Forschungspreis in der Kategorie Angewandte Forschung vom Thüringer Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee in Jena ausgezeichnet worden.
 
Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić ist Leiter der Forschungsabteilung Funktionale Grenzflächen am Leibniz-IPHT und Professor für Physikalische Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Wissenschaftler ist stolz auf sein Team, bestehend aus Dr. Linda Zedler und Dr. Carolin Müller, die inzwischen an der Universität Luxemburg tätig ist, mit dem er wichtige Weichen zur Erforschung photokatalytischer Prozesse erzielte: „Das ist eine tolle Motivation für die weitere Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen des Sonderforschungsbereichs ,CataLight‘, um neue Einblicke in die Funktionsweise von molekularen Photokatalysatoren zu gewinnen.“ Teamkollegin Dr. Linda Zedler, Wissenschaftlerin in der Forschungsabteilung Funktionale Grenzflächen, sieht die Auszeichnung „als Krönung eines langen Weges eines großartigen Teams.“
 
Energiegewinnung nach dem Vorbild der Natur
 
Den wachsenden Energiebedarf langfristig und nachhaltig zu decken, kann nur durch erneuerbare Energiequellen gelingen. Eine zentrale Rolle im regenerativen Energiemix spielt die Sonnenenergie. Daher suchen Forschende weltweit nach neuen Wegen, die Sonnenenergie nutzbar zu machen. „Wie das funktionieren kann, macht uns die Natur vor“, sagt Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić. Bäume und andere grüne Pflanzen nutzen die Energie des Sonnenlichts für die Photosynthese. Dabei spielen natürliche Lichtfänger-Moleküle eine Rolle, sogenannte Photokatalysatoren. Diese nehmen die Energie auf und nutzen sie für die Synthese energiereicher Moleküle. Auf diese Weise entsteht aus CO2 und Licht in der Pflanze Glukose und Sauerstoff.
 
Während die molekularen Prozesse der Photosynthese gut verstanden sind, stellt sich die Entwicklung von Katalysatoren für die Licht-Energie-Wandlung als herausfordernd dar, insbesondere für die physikalische Chemie, die Methoden und Werkzeuge bereitstellt, um die Struktur und Funktionsweise solcher Katalysatoren zu verstehen. Hier setzen die Arbeiten von Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić und seinem Team an. „Insbesondere wollen wir untersuchen, wie die Absorption von Licht in den Zwischenprodukten der photokatalytischen Reaktionen abläuft und zu welchen chemischen Umlagerungen diese führt“, erläutert Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić. Diese Frage ließ sich bisher nur unzureichend beantworten. „Erst wenn diese grundlegenden Mechanismen aufgeklärt sind, können wir Katalysatoren und Reaktionsbedingungen gezielt anpassen, um effizientere Photokatalyse-Systeme zu entwickeln.“
 
Neue Fenster zur Beobachtung lichtgetriebener Prozesse
 
Mit der zeitaufgelösten Absorptionsspektroelektrochemie und der in operando Absorptionsspektroskopie haben die Forschenden zwei experimentelle Methoden entwickelt, mit deren Hilfe es erstmals möglich ist, die extrem kurzlebigen Zwischenprodukte sowie den Verlauf photokatalytischer Reaktionen genau zu beobachten.
 
Für die zeitaufgelöste Absorptionsspektroelektrochemie verbanden die Forschenden mit der Elektrochemie und der zeitaufgelösten optischen Spektroskopie zwei Methoden: Dabei werden zunächst die zu untersuchenden Moleküle elektrisch „beladen“ – chemisch oxidiert oder reduziert. Die so vorbereiteten Moleküle haben dieselben chemischen Eigenschaften wie die Zwischenprodukte photokatalytischer Prozesse, nur, dass sie in der speziell entwickelten Elektrochemiezelle langlebiger sind und sich in höherer Konzentration anreichern lassen. Damit sind sie für die nachfolgende optische Spektroskopie wesentlich besser zugänglich und die Licht-induzierten Prozesse sowie strukturellen Umlagerungen in den Molekülen lassen sich detailgenau untersuchen.
 
Auch mit der in operando Absorptionsspektroskopie lassen sich die chemisch instabilen Photokatalysatoren praktisch „bei der Arbeit“ beobachten. Hierbei wird die Photokatalyse durch Lichteinstrahlung initiiert und während der ablaufenden Prozesse zu unterschiedlichen Zeitpunkten Absorptionsexperimente durchgeführt. Auf diese Weise erhalten die Forschenden „Momentaufnahmen“, die den Verlauf der Katalyse in verschiedenen Stadien abbilden.
 
„Ich gratuliere dem Team herzlich zu dieser hervorragenden Leistung und Auszeichnung. Indem wir photokatalytische Reaktionen noch genauer beobachten können, sind wir in der Lage, Mechanismen der Wasserspaltung mithilfe des Sonnenlichts noch besser zu verstehen und aufzuklären. Damit haben die Kolleginnen und Kollegen einen wichtigen Meilenstein zur Entschlüsselung der Sonnenenergie als zukünftiger Energiequelle geliefert“, ergänzt Prof. Dr. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-IPHT, abschließend.
 
Über den Thüringer Forschungspreis
 
Mit dem Thüringer Forschungspreis werden seit 1995 wissenschaftliche Spitzenleistungen Thüringer Hochschulen und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen geehrt. Mehr als 240 Forscherinnen und Forscher wurden seitdem mit dem Preis ausgezeichnet. Über die Vergabe entscheidet eine Jury aus anerkannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz Deutschland.
 
Weitere Informationen unter: www.thueringer-forschungspreis.de
 
Über den Sonderforschungsbereich/Transregio CataLight
 
In den Sonderforschungsbereich/Transregio (SFB/TRR) CataLight (Lichtgetriebene molekulare Katalysatoren in hierarchisch strukturierten Materialien – Synthese und Mechanistische Studien) ist das Leibniz-IPHT aktiv eingebunden. Untersuchungsgegenstand des SFB/TRR CataLight sind photokatalytisch aktive Materialien, die Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spalten können.
 
Weitere Informationen unter: www.catalight.uni-jena.de

Im Bild:
Ausgezeichnet: Prof. Dr. Benjamin Dietzek-Ivanšić (links im Bild) und Dr. Linda Zedler (rechts im Bild) bei ihrer Forschungsarbeit.
©Jens Meyer/Uni Jena