Um zu erfahren, was die Welt im Innersten zusammenhält und die winzigsten Bausteine des Lebens erforschen zu können, braucht es hochauflösende Mikroskopie. Mit ihrer Hilfe kann detailreich in den Mikro- und Nanokosmos geblickt und das Verständnis zu zellbiologischen Geheimnissen erweitert werden. Bildgebungsspezialist Prof. Dr. Christian Eggeling, Leiter der Abteilung Biophysikalische Bildgebung am Leibniz-IPHT, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Mikroskopie-basierten Methoden und trägt damit zu einer noch besseren Diagnostik und Therapie von Krankheiten bei. Kürzlich wurde der Wissenschaftler mit zwei Auszeichnungen geehrt. Im Interview verrät der Physiker, weshalb diese Preise ganz besondere Meilensteine für ihn sind.
 
Herr Eggeling, Sie wurden mit dem Preis für Lichtmikroskopie der Royal Microscopy Society (RMS) 2023 ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg. Wofür haben Sie diesen Preis erhalten?
 
Im Mittelpunkt meiner Forschungsaktivitäten steht die superaufgelöste Mikroskopie, die einen tiefen und hochgenauen Blick in die Nanowelt und das Innere lebender Zellen erlaubt. Wie sich Moleküle frei bewegen und wie sie miteinander interagieren, lässt sich dank der modernen Mikroskopie in allen Einzelheiten untersuchen. Hierzu konnte ich gemeinsam mit meinem Team die superaufgelöste STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion) mit der Einzelmolekül-Fluoreszenz-Spektroskopie (Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie, FCS) kombinieren, anwenden und weiter optimieren. Mit dieser hochempfindlichen Methode lassen sich zum Beispiel die Diffusions- und Interaktionsdynamiken von Lipid- und Proteinmolekülen in zellulären Membranen hochauflösend beobachten, was bislang so nicht möglich war. Solche Prozesse sind wichtig, zu erforschen, da sie die Grundlage für zelluläre Signalprozesse, wie die extrazelluläre Kommunikation oder das Eindringen von Krankheitserregern, wie Viren, sind. Dabei scheinen sogenannte „Lipid Rafts“, eine kompakte Ansammlung von Lipid- und Proteinmolekülen in der Zellmembran, eine wesentliche Rolle zu spielen. Dank unserer Verfahren können wir diese Strukturen nun mit sehr hoher Präzision beobachten.
 
Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
 
Die Auszeichnung der Royal Microscopy Society ist einer der höchsten Mikroskopie-Preise in Großbritannien und eine wunderbare Ankerkennung und große Ehre für mich. Damit verbunden ist die Würdigung meiner bisher geleisteten Arbeit im Bereich der superaufgelösten Mikroskopie, in der mit der Kombination der beiden Verfahren STED und FCS wichtige Fortschritte für die moderne Bildgebung und der Auflösung kleinster Details erzielt werden konnten.
 
Welchen Forschungsthemen widmen Sie sich aktuell?
 
Wir entwickeln superauflösende Mikroskopie-Methoden kontinuierlich weiter, um die Sensitivität und Auflösung weiter zu verbessern und beispielsweise den Verlauf von Virus- und mikrobiellen Infektionen noch besser nachvollziehen zu können. So bin ich zum Beispiel in einem der Projekte des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Projektleiter beteiligt. In diesem Forschungscluster untersuchen wir, wie mikrobielle Gemeinschaften von Mikroorganismen, wie zum Beispiel von Bakterien oder Pilzen, miteinander und mit ihrer Umwelt interagieren. In diesem Zusammenhang treiben ich und mein Team die Etablierung des Microverse Imaging Centers voran. In diesem Mikroskopie-Zentrum werden mikroskopische Methoden aufgebaut sowie für Nutzerinnen und Nutzer bereitgestellt und optimiert, um die Dynamiken der Mikroorganismen besser begreifen zu können.
 
Sie haben viele Jahre an der Seite des Chemie-Nobelpreisträgers von 2014, Prof. Dr. Stefan Hell, gearbeitet, der neue Wege in der Mikroskopie beschritt. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
 
Mit Prof. Dr. Stefan Hell verbindet mich eine lange und intensive Zusammenarbeit am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (ehemals Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie) in Göttingen. In diesen knapp zehn Jahren konnte ich in seiner Gruppe die bahnbrechenden Arbeiten zur Überwindung der von Ernst Abbe postulierten Auflösungsgrenze von 200 Nanometern im Bereich der optischen Mikroskopie aktiv mitbegleiten. Insbesondere haben wir die superauflösende STED-Mikroskopie entwickelt und optimiert. Diese Zeit hat mich nachhaltig beeinflusst, denn sie hat mir gezeigt, dass es sich lohnt, auch entgegen aller Skepsis weiter an eine Idee zu glauben. Nach vielen Jahren der Forschungsarbeit wurden die intensiven Forschungsbemühungen belohnt und Prof. Dr. Stefan Hell mit dem Nobelpreis für die Entwicklung der superaufgelösten STED-Mikroskopie ausgezeichnet, mit der ein Fenster in die Nanowelt der Zellen aufgestoßen wurde.
 
Um die Stärken dieser superaufgelösten Methoden herauszustellen, ist es wichtig, ihr Potential in zellbiologischen Anwendungen aufzuzeigen. Deshalb habe ich einen Ruf auf eine Professur für Molekulare Immunologie und für die Leitung des Wolfson Imaging Centre Oxford am Weatherall Institute of Molecular Medicine an der University of Oxford in Großbritannien angenommen. Dies ermöglichte mir und meiner Gruppe, die Mikroskopie-Methoden weiter für zellbiologische und vor allem immunologische Fragestellungen anzuwenden und anzupassen.

Im interdisziplinären und auf photonische und infektionsbiologische Forschung spezialisierten Umfeld des Standortes Jena habe ich nun das perfektive Umfeld, um diese Arbeit mit meinem hervorragenden Team und dem Mikroskopie-Zentrum der Jena Microverse Exzellenz Initiative Jena, welches ich leite, weiter fortzuführen.
 
Welche Motivation steckt hinter Ihrer Leidenschaft für die Mikroskopie und dem Antrieb, diese weiter zu verbessern?
 
Elementar für unser aller Leben ist Gesundheit. Infektions- und Krebserkrankungen sind jedoch leider in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und haben auch mich durch den Verlust sehr enger Familienmitglieder stark betroffen. Ich bin davon überzeugt, dass fortschrittliche Mikroskopie, wie die superaufgelöste Mikroskopie, dabei unterstützen kann, Krebserkrankungen sowie die Infektion von Zellen besser zu verstehen, zu erkennen und die zugrundliegenden Mechanismen aufzudecken. Dies wird dazu beitragen, auf diese Krankheiten abgestimmte Medikamente entwickeln zu können. Mit der Optimierung bestehender Bildgebungsverfahren können wir so einen Beitrag leisten, der Medizin hierfür präzise Werkzeuge bereitzustellen.
 
Außerdem haben Sie in diesem Jahr eine weitere Auszeichnung erhalten. Nämlich für Ihr Engagement in der Lehre.
 
Tatsächlich habe ich im Sommer von der Fachschaft der Medizin den Lehrpreis für meine Lehrleistungen als Betreuer im Physik-Praktikum für die Erstsemester im Fach Medizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhalten. Diese Auszeichnung war eine schöne Bestätigung, jungen Menschen Freude, Spaß und Neugierde im Bereich der Naturwissenschaften zu vermitteln. Ich finde es wichtig, sich in die Studierenden hineinzuversetzen und ihnen möglichst anschaulich physikalische Grundlagen, wie die Funktionsweise und den Aufbau eines Mikroskops, zu vermitteln. Gerade Medizinerinnen und Mediziner sowie Nachwuchsforschende werden in ihrer Laufbahn immer wieder mit der Mikroskopie in Berührung kommen – umso wichtiger ist es, dass sie dieses elementare Wissen schon frühzeitig in ihrem Studium erlernen und motiviert werden, mehr davon zu entdecken.
 
Was möchten Sie jungen Nachwuchsforschenden und -führungskräften von morgen auf ihrem Karriereweg mitgeben, die ihr Studium und ihre ersten beruflichen Schritte noch vor sich haben und genau wie Sie oder Prof. Dr. Stefan Hell mit innovativen Ideen die Welt ein Stück besser machen wollen?
 
Junge Menschen sollten vor allem eins: offen bleiben – offen für Neues. Sich nicht von Zweifeln von ihrem Weg abbringen lassen, sondern immer an sich und ihre Ideen und Überzeugungen zu glauben – das ist wichtig.
 
Ihre derzeitigen Forschungsthemen sind sicherlich noch lange nicht das Ende auf Ihrer weiterhin spannenden Forschungsreise in die Welt der Mikroskopie. Wer hat Sie auf Ihrem bisherigen Weg begleitet und inspiriert?
 
Das waren eine ganze Reihe von großartigen Forscherinnen und Forschern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Partnern, Unterstützern und Förderern, die ich in all den Jahren kennenlernen und mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte: Ich möchte mich bei Prof. Dr. Stefan Hell bedanken, bei meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen sowie vom Wolfson Imaging Centre Oxford. Mein Dank für die Unterstützung und die gute Zusammenarbeit gilt vor allen Dingen auch meinen Kolleginnen und Kollegen am Leibniz-IPHT und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
 
Auch Förderern wie Prof. Dr. Klaus Benndorf, ehemaliger Dekan der medizinischen Fakultät am Universitätsklinikum Jena, Prof. Dr. Gerhard Paulus, ehemaliger Dekan der Physikalisch-Astronomischen Fakultät an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Prof. Dr. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor am Leibniz-IPHT, die mir den Weg nach Jena geebnet haben, möchte ich danken. Prof. Claus Seidel, der Betreuer meiner Doktorarbeit, führte mich als erster an die Fluoreszenzmikroskopie. Douglas Higgs, Emeritus Professor am Weatherall Institute of Molecular Medicine an der University of Oxford, und der leider inzwischen verstorbene Prof. Vincenzo Cerundolo der University of Oxford, die mich beide an die Universität Oxford geholt haben, möchte ich für ihre Unterstützung in den vergangenen Jahren danken. Ohne all diese Menschen wäre ich nicht dort, wo ich heute bin.
 
Am wichtigsten ist allerdings mein Team, bei dem ich mich bedanken möchte. Sowohl meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung Biophysikalische Bildgebung am Leibniz-IPHT, dem Institut für Angewandte Optik und Biophysik der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie dem Mikroskopie-Zentrum der Jena Microverse Exzellenz Initiative als auch alle Ehemaligen des Teams an der University of Oxford. Die Motivation und Einsatzbereitschaft aller Beteiligten war und ist phänomenal und inspirierend und hat uns gemeinsam durch gute, aber auch schwierige Zeiten, wie der Corona-Pandemie, gebracht.
 
Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Eggeling.
 
Zur Person
 
Prof. Dr. Christian Eggeling ist Professor für superauflösende Mikroskopie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und leitet am Leibniz-IPHT die Abteilung Biophysikalische Bildgebung. Gemeinsam mit seinem Team optimiert er fortschrittliche optische Mikroskopiemethoden, um molekulare und zelluläre Interaktionen, vor allem auf Zellmembranen, besser verstehen zu können. Bereits seit den 2000er Jahren beschäftigt er sich mit Fluoreszenz-Mikroskopie-basierten Techniken und konzentriert sich auf superauflösende Mikroskopie-Verfahren, speziell der STED-Mikroskopie sowie der Kombination von FCS und STED zur Untersuchung von molekularen Diffusions- und Interaktions-Dynamiken mit sehr hoher Sensitivität.