Multiresistente Keime sind eine wachsende Bedrohung. Der massenhafte und häufig unnötige Einsatz von Antibiotika führt dazu, dass immer mehr Erreger gegenüber Medikamenten unempfindlich sind. Bisher gut behandelbare Infektionen können lebensbedrohlich verlaufen. Ein neuer Schnelltest gibt innerhalb von dreieinhalb Stunden Auskunft darüber, welches verfügbare Antibiotikum im konkreten Fall noch wirksam ist. Für das Licht-basierte Verfahren werden die Jenaer Wissenschaftler Prof. Ute Neugebauer und Prof. Jürgen Popp mit dem 3. Preis des Berthold Leibinger Innovationspreises 2018 ausgezeichnet.

Vor allem in der klinischen Anwendung, bei der Behandlung von schweren Infektionen, z.B. bei einer Sepsis, ist Zeit ein entscheidender Faktor. Intensivmediziner müssen viel zu oft ‚blind‘ mit Breitspektrumantibiotika behandeln, da sie zunächst weder den Erreger noch eventuell vorhandene Resistenzen bestimmen können. Eine frühzeitige Diagnose ist Grundlage für eine verlässliche Therapieentscheidung und rettet Leben. Eine schnelle, kostengünstige Alternative zur bislang zeitintensiven mikrobiologischen Erregerdiagnostik bietet das Licht-basierte Verfahren des Forscher-Teams um Prof. Ute Neugebauer und Prof. Jürgen Popp. Das Lab-on-a-Chip-System ist das Ergebnis enger Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Photonik, Medizin, Mikrofluidik und Systemintegration am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) und am Center for Sepsis Control and Care (CSCC) des Universitätsklinikums Jena (UKJ).

Licht-basierte Diagnostik hilft bei der Vergabe des passenden Medikaments

Die Kombination aus Raman-spektroskopischer Diagnostik, mikrofluidischer Probenprozessierung und einem hohen Automatisierungsgrad verkürzt die Zeit von der Probennahme bis zum Ergebnis von bisher 72 auf dreieinhalb Stunden. Für den RamanBioAssayTMgenannten Schnelltest genügen bereits wenige Tropfen einer Patientenprobe, beispielsweise Urin eines Patienten mit Blasenentzündung. Die Probe geben die Forscher ohne aufwändige Vorbereitung direkt in den Chip. Während des automatisierten Analyseprozesses ist kein Kontakt mit dem potentiell ansteckendem Material nötig. Elektrische Felder fangen die Bakterien aus der Probe in einer bestimmten Region des Chips ein, wo sie anhand ihres spezifischen Raman-Spektrums und dessen Vergleich mit Datenbanken identifiziert werden. 

Anschließend bringen die Jenaer Forscher die Erreger mit verschiedenen Antibiotika in unterschiedlichen Konzentrationen in Kontakt und werten die spektralen Veränderungen aus. „Neben dem qualitativen Ergebnis, das heißt ob der der Stamm resistent oder sensibel ist, erhalten wir quantitative Informationen. Die Daten geben Aufschluss, wie hoch die Konzentration des Antibiotikums sein muss, um das Bakterienwachstum vollständig zu hemmen. Das ist ein wichtiger diagnostischer Parameter, der den Erfolg der Behandlung entscheidend beeinflusst“, beschreibt Prof. Ute Neugebauer den Vorteil der Methode. 

Die Forscher arbeiten gemeinsam mit der Firma Biophotonics Diagnostics GmbH an der Verwertung des RamanBioAssayTM. Zum einen ist eine offene Geräteplatttform geplant, die in Krankenhäusern die klinische Mikrobiologie ergänzen soll. Ein weiteres Ziel ist die Integration des RamanBioAssayTMin ein miniaturisiertes, geschlossenes Kartuschensystem für den mobilen Einsatz beispielsweise in Arztpraxen. Damit könnten Hausärzte erstmals Erreger und deren Resistenzen unkompliziert und schnell bestimmen.

Die Forschungsarbeiten wurden von der Europäischen Union, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Freistaat Thüringen und der Carl-Zeiss-Stiftung gefördert.

Der Berthold Leibinger Innovationspreis

Der alle zwei Jahre verliehene Berthold Leibinger Innovationspreis ist ein hochkarätiger internationaler Technologiepreis der Berthold Leibinger Stiftung. Er würdigt Wissenschaftler und Entwickler für herausragende Innovationen zur Anwendung oder Erzeugung von Laserlicht. Den 1. Preis 2018 erhält ein Forscher-Team der RWTH Aachen mit einem Verfahren zum Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißen. Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Firma Vanguard Photonics werden für die 3D-Laserlithographie für die integrierte Photonik mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Zur zehnten feierlichen Preisverleihung am 21. September 2018 am Hauptsitz der TRUMPF Gruppe in Ditzingen sprechen unter Anderem der Stifter Prof. Dr. Berthold Leibingerund der Chemie-Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan W. Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen. 

Die Preisträger des Berthold Leibinger Innovationspreises 2018. Quelle: Berthold Leibinger Stiftung

Die Preisträger des Berthold Leibinger Innovationspreises 2018. Quelle: Berthold Leibinger Stiftung