Einzelne Mikroben aus Boden- oder Lebensmittelproben schnell zu identfizieren und neue Wirkstoffe zu finden sind die Ziele der Forschungsinitiative „MikroPlex“, die der Freistaat Thüringen als ProExzellenz-Forschungsvorhaben mit einer Million Euro fördert.

In einem Gramm Boden können 100 Millionen Bakterien aus bis zu 7.000 verschiedenen Arten leben. Und auf der Oberfläche von Rindfleisch befinden sich auch unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen nach dem Schlachten ca. 1.000, auf Schweinefleisch ca. 10.000 Keime pro cm2. Krankmachende Keime wie etwa Salmonellen machen allerdings nur einen sehr geringen An­teil, nämlich nicht mehr als 10 bis 100 Keime pro cm2, aus.

„Diese überaus komplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaften zu unter­su­chen und zum Beispiel die krankmachenden von den unschädlichen Mikroben zu unterscheiden, stellt eine sehr große wissenschaftliche Herausforderung dar“, er­läu­tert Prof. Dr. Jürgen Popp, der als Leiter der Institutes für Phy­sikalische Che­mie der Universität Jena und des Institutes für Photonische Technologien (IPHT) „MikroPlex“ koor­diniert. Je nachdem, ob man Bakterien auf Fleisch oder im Boden untersucht, verändern sich durch die An­passung der Zellen an ihre Umgebung ihre biochemischen Merkmale. „Ein solches Pro­jekt erfordert deshalb mehrere Partner, die ihre jeweiligen Erfahrungen zur Lösung der gestellten Aufgaben einbringen“, so Popp weiter. Im wissen­schaftlichen Vorstand der Forschungs­initiative sind deshalb außer Popp selbst auch Prof. Dr. Axel Brakhage (Leibniz-Institut für Infektionsbiologie und Naturstoff­for­schung – Hans-Knöll-Institut (HKI)) und Prof. Dr. Erika Kothe, die wie auch Brak­hage an der Universität Jena eine Professur für Mikrobiologie inne hat. Das Projekt ist an die Graduiertenschule „Jena School of Microbial Commu­nication (JSMC)“ angebunden und nutzt deren Strukturen und Einrichtungen.

Popp und seine Kollegen wollen die Analytik von Mikroorganismen in kom­plexen Umgebungen dahingehend weiterentwickeln, dass sie unabhängig von einem Labor möglichst vor Ort – auf einem Acker oder in einem Schlachthof – vor­genommen werden kann und schnell und einfach zu hand­haben ist. Dabei setzen sie auf eine Kombination aus verschiedenen op­ti­schen und spektro­skopischen Methoden wie Mikroskopie, Fluoreszenz- und Raman-Spektro­skopie in Verbindung mit mikrobiologischen Färbetechno­lo­gien. „Vorteil der optisch-spektroskopischen Analysemethoden ist dabei die Vielzahl von Informationen, die wir durch die Kombination der einzelnen Ver­fahren gewinnen können, und die zerstörungsfreie Heran­gehensweise“, so Popp. Weil die Mikroorganismen diese Analyse überleben und sich in Kultur weiter vermehren, stehen sie im Anschluss noch für herkömmliche mikrobio­lo­gischen Untersuchungen zur Verfügung.

Doch die Jenaer Forscher interessieren sich nicht nur für die Bakterien selbst, sondern auch für ihre Stoffwechselprodukte. Oft geben Mikroben nämlich Stoffe an die Umgebung ab, welche für den Menschen zum Beispiel als Anti­biotika oder andere pharmakologisch wichtige Substanzen von großem Nut­zen sind. „Wir haben uns im Rahmen von MikroPlex deshalb auch das Ziel gesteckt, den Nachweis und die Charakterisierung dieser Stoffe voranzu­treiben“, beschreibt HKI-Direktor Brakhage einen weiteren Teil des Projektes. Bisher gelingt die Identifizierung solcher Naturstoffe nur dann, wenn die Mikroorganismen sie unter kontrollierten Bedingungen im Labor herstellen. „Es ist aber aus ökologischer Sicht sehr wahrscheinlich, dass Bakterien die meisten ihrer Wirkstoffe nur dann abgeben, wenn sie im na­türlichen Le­bensraum damit Konkurrenten, etwa Pilze, vertreiben wollen“, betont Brak­hage. Daher wäre es ein Durchbruch, wenn diese Stoffe direkt im komplexen Medium wie z. B. dem Boden identifiziert werden könnten. Die beschriebe­nen spektroskopischen Methoden bieten hier neue Möglichkeiten, mit deren Hilfe der direkte Nachweis der Stoffwechselprodukte der Mikroor­ganismen möglich ist. Dies ist sowohl für die Entdeckung neuer pharmako­logisch wirk­samer Naturstoffe, als auch für die Entschlüsselung der Mecha­nismen der Konkurrenz im Lebensraum Boden von großer Bedeutung. Die entdeckten Substanzen können am HKI in der durchgehenden Bearbei­tungs­linie weiter charakterisiert und zur Marktfähigkeit entwickelt werden.

Neben den wissenschaftlichen Zielen verfolgt die Forschungsinitiative auch strukturelle und wirtschaftliche Ziele. So soll die Zusammenarbeit zwischen den lebenwissenschaftlichen Instituten und den eher techno­lo­gisch-orientierten Einrichtungen ausgebaut werden. ?Damit schaffen wir ein wissenschaftliches Fundament, das weit über den Zeitraum der ProEx­zellenz-Förderung hinaus wirken wird?, betont Popp. Durch dieses Projekt werde insbesondere die interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung am Stand­ort weiter gesteigert. ?Hierdurch lässt sich nicht zuletzt auch die wirtschaftliche Situation der Biotechnologie-Unternehmen und Optik-Firmen der Region nachhaltig verbessern?, so der MikroPlex-Koordinator.

 

 

Links zu den Projektpartnern:

 

Leibniz-Institut für Infektionsbiologie und Naturstoff-Forschung – Hans-Knöll-Institut –

 

Institut für Mikrobiologie der Universität Jena/ Prof. Kothe