Ein interdisziplinäres Team von Forschenden des LPI untersucht, inwieweit spektroskopische Verfahren geeignet sind, frühzeitig den weiteren Verlauf einer Corona-Erkrankung vorherzusagen. Dabei untersuchen sie infizierte weiße Blutkörperchen mit einem Hochdurchsatz-Raman-­System, um die Immunantwort zu analysieren.

Die Symptome einer Infektion mit COVID-19 können sehr unterschiedlich sein und reichen von leichten Atemwegsbeschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Lungendys­funktion. Bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung könnten anhand der Immunantwort Rückschlüsse auf den weiteren Krankheitsverlauf gezogen werden. Im Rahmen gemeinsamer Projekte und klinischen Studien untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ­Leibniz-IPHT gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Universitätsklinikum Jena die Einsatzmöglichkeiten photonischer Technologien zur Früherkennung von schweren COVID-19-Verläufen. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, den Verlauf der Erkrankung besser zu verstehen und vorherzusagen sowie lebensrettende Maßnahmen frühzeitig zu ergreifen.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden Raman-spektroskopische Verfahren, um Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung weißer Blutkörperchen zu erkennen. Dafür infizierten sie neutrophile Granulozyten im Labor mit dem Corona-Virus und stimulierten die Immunantwort durch die Zugabe entzündungsfördernder Botenstoffe. Neutrophile Granulozyten sind die häufigste Art von weißen Blutkörperchen. Sie reagieren schnell auf Entzündungen und Infektionen, indem sie Bakterien oder andere Erreger absorbieren und zerstören. Mittels der High-Throughput Screening Raman Spectroscopy (HTS-RS) untersuchten die Forschenden die weißen Blutkörperchen in verschiedenen zeitlichen Abständen. Die so gewonnenen Spektren wurden anschließend mithilfe maschineller Lernalgorithmen analysiert.

Deutliche Änderungen des Raman-spektroskopischen Fingerabdrucks der infizierten Immunzellen konnten nach drei und nach 24 Stunden beobachtet und voneinander unterschieden werden. Die Messdaten deuten auf eine phänotypische Veränderung der neutrophilen Granulozyten, hervorgerufen durch eine gesteigerte Produktion von Zytokinen, hin. Ein vermehrtes Ausschütten dieses Botenstoffes konnte in den mit SARS-CoV-2 infizierten Zellen nach drei Stunden biochemisch nachgewiesen werden. Nach weiteren 21 Stunden war die Produktion der für die Immunreaktion verantwortlichen Proteine nochmals signifikant gestiegen.

Anhand der Raman-Daten kann demnach nicht nur unterschieden werden, ob eine Zelle infiziert ist oder nicht. Auch die Schlussfolgerung, dass die Ramansignatur mit dem Zytokingehalt korreliert, ist naheliegend. Basierend auf diesen Erkenntnissen soll die Methodik und die Datenauswertung mithilfe ­künstlicher Intelligenz weiter trainiert und verbessert werden. Langfristig kann hieraus ein neues diagnostisches Werkzeug zur Früherkennung von schweren COVID-19-Verläufen entstehen, welches eine Alternative beziehungsweise Ergänzung zu vorhandenen biochemischen Verfahren sein könnte.