Mit der MINFLUX-­Mikroskopie lassen sich die kleinsten Bausteine des Lebens mit einer beispiellosen Genauigkeit beobachten. Forschende des Leibniz­-IPHT entwickeln die Supermikroskopie weiter und experimentieren mit photostabilen Fluoreszenzsonden, um neue Potentiale des neuartigen Mikroskopieverfahrens für Anwendungen in den Lebenswissenschaften zu erschließen.

Wie befallen Viren Zellen und überwinden die Zellmembran? Wie können sich Pathogene ungehindert im menschlichen Körper vermehren und zu einer Infektion ausbreiten? Was passiert im Zellinneren bei einer Entzündung? Und wie werden an der Zellhülle Signale weitergeleitet? Auf diese und ähnliche Fragestellungen versuchen Biologie und Medizin, mit der Mikroskopie Antworten zu finden. Doch die optische Lichtmikroskopie stößt bei der Betrachtung kleinster Details schnell an ihre Grenzen. Schon der Physiker Ernst Abbe erkannte im 19. Jahrhundert, dass sich Strukturen mikroskopisch nur bis zu einer Größe von bis zu 200 Nanometer präzise auflösen lassen. „Kleinere Details können unter dem Mikroskop nur verschwommen wahrgenommen und optisch nicht klar voneinander unterschieden werden“, erklärt Prof. Dr. Christian Eggeling, Leiter der Abteilung Biophysikalische Bildgebung am Leibniz-IPHT.

Um die physikalische Limitierung zu überwinden, haben Forschende eine Superauflösungsmikroskopie entwickelt: Der Nobelpreisträger und Physiker Stefan Hell erweiterte hierzu die etablierten superaufgelösten mikroskopischen Verfahren STED und (f)PALM / (d)STORM zur ultrahochauflösenden MINFLUX-Fluoreszenzmikroskopie. Statt Lichtintensitäten vom eingestrahlten Laser- oder detektierten Fluoreszenzlicht zu maximieren, werden beim MINFLUX-Ansatz Lichtintensitäten minimiert. Auf diese Weise werden gestochen scharfe Einblicke in das Innere von Zellen mit einer einzigartigen Auflösung von unter zehn Nanometer realisiert.

Dreidimensionale Einblicke in lebende Zellen gestochen scharf beobachten

Die Stärken dieser Supermikroskopie erforschen unter anderem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-IPHT. Im Jahr 2021 erhielten sie ein MINFLUX-Gerät, welches im Rahmen der Großgeräte-Initiative „Neuartige, experimentelle Lichtmikroskope für die Forschung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) angeschafft werden konnte.

„Die Technologie eröffnet völlig neue dreidimensionale Einblicke in lebende Zellen. Mit ihr lassen sich Vorgänge an der Zellmembran nicht nur sichtbar machen, sondern sie erweitert unser Verständnis des Wechselspiels der Zellbestandteile deutlich. Intrazelluläre Vorgänge, wie der Befall von Zellen mit HIV- oder Corona-Viren, können so entschlüsselt werden. Um die Potentiale der MINFLUX-Mikroskopie voll auszuschöpfen, arbeiten wir an der technologischen Weiterentwicklung, optimieren beispielsweise die Hardware sowie Methoden der Auswertung und studieren ihre Möglichkeiten und Grenzen. Damit wird der Weg geebnet, die Technologie weiter zu verbessern, um langfristig Biologie und Medizin bei der Beantwortung zellbiologischer Fragestellungen besser unterstützen zu können“, erklärt Christian Eggeling.

Die Farbe macht den Unterschied

Um Dynamiken an der Zellmembran mikroskopisch zu verfolgen, braucht es fluoreszierende Farbstoffe. „Mit diesen Farbstoffen wird eine Markierung in die zu beobachtenden Zellen eingebracht. Das Anregungslicht des Mikroskops bringt die Farbstoffe zum Leuchten. So kann die Bewegung der Moleküle zeitlich und räumlich nachverfolgt und ihre Diffusion durch die Zellmembran exakt beobachtet werden. Einige dieser Farbstoffe, die Fluorophore, verlieren allerdings in Bruchteilen von Sekunden durch photochemische Prozesse ihre Fähigkeit, zu fluoreszieren, ähnlich wie bei einem Foto, dessen Farben verblassen“, so der Biophysiker Christian Eggeling. Das Verbleichen der Farbstoffe ist insbesondere bei Langzeitbeobachtungen ein Problem.

Neuartige photostabile Farbstoffe, auch Fluoreszenzsonden genannt, bieten das Potential, die sich aus der Fotobleiche ergebenden Nachteile zu umgehen und Beobachtungen an Zellmembranen in Echtzeit mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung sowie langen Aufnahmezeiten zu ermöglichen. Das Team von Christian Eggeling und seinem Kollegen Pablo Carravilla testete 2021 neue Fluoreszenzsonden auf Basis von Nilrot, die von ihrem Kollaborationspartner Prof. Dr. Andrey Klymchenko an der Université de Strasbourg synthetisiert wurden. Diese Marker lagern sich nur kurzzeitig in der Zellmembran an und erst dort beginnen sie, angeregt durch die Lichteinstrahlung, zu fluoreszieren.

Mit Hilfe der Fluoreszenzsonden lassen sich zum Beispiel die Verschmelzung von Membranvesikeln mit der Zellmembran, die Membranfusion, sowie die Vereinigung von Lipidschichten beobachten. Damit eröffnen die neuen Farbstoffe die Chance, detaillierte Erkenntnisse zur molekularen Mobilität an biologischen Membranen über hochaufgelöste Zeitrafferaufnahmen oder Echtzeitbildgebung zu gewinnen. Da die MINFLUX-Technologie für ihre hohe Präzision niedrige Konzentrationen von Fluoreszenzsonden benötigt, wären die Farbstoffe, die sich nur für kurze Zeit anreichern, auch für dieses Verfahren geeignet.

„In Zukunft wollen wir die Leistungsfähigkeit der superaufgelösten STED- und MINFLUX-Mikroskopieverfahren weiter untersuchen, um sie für biomedizinische Anwendungen nutzbar zu machen. Die Technologie hat das Potential, Pharmaforschung und moderne Medizin zu beflügeln“, zeigt sich Christian Eggeling hoffnungsvoll.

Weitere Informationen gibt es im nachfolgenden Video:

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