Ein grundlegendes Quantenexperiment – der Nachweis des Aharonov-Casher-Effekts – wurde am National Physics Laboratory (NPL) in London unter Verwendung supraleitender Niobnitrid-Schichten, die am Leibniz-IPHT entwickelt wurden, erfolgreich realisiert. Die hergestellten Niobnitrid-Nanodrähte zeigen ein kohärentes Quantenverhalten in doppelter Hinsicht zum bekannten Josephson-Kontakt, was zu einer neuen Klasse von Quanteninstrumenten führen könnte.

Von S. Linzen // E. Il’ichev // M. Ziegler // U. Hübner // L. Fritzsch  // S. George // H.-G. Meyer // H. Schmidt // R. Stolz 

Josephson-Kontakte sind die grundlegenden nichtlinearen Elemente für eine Vielzahl von kryoelektronischen Geräten. Sie reichen vom bekannten SQUID (Superconducting Quantum Interference Device) mit seinen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der klinischen Diagnostik, der geophysikalischen Erzexploration bzw. der Geoarchäologie im großen Maßstab bis hin zum Qubit (Quantum Bit) als Schlüsselkomponente für die Implementierung von Festkörper-Quantencomputern. Die dahinterstehende Physik ergibt sich hauptsächlich aus dem Tunneln von Ladungen durch eine bspw. dielektrische Barriere zwischen den beiden supraleitenden Elektroden des Josephson-Kontaktes. Der duale Quanteneffekt (das Tunneln des magnetischen Flusses über einen kontinuierlichen Supraleiter) und die daraus resultierenden Anwendungen wurden in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Diese so genannten Phase-Slip-Kontakte wurden nun experimentell durch ultradünne Niobnitrid (NbN)-Schichten realisiert, die mittels Atomlagenabscheidung (ALD) im Reinraum am Leibniz-IPHT hergestellt wurden. Eine ALD-NbN-Nanodrahtstruktur mit zwei Phase-Slip-Kontakten und einer winzigen Ladungsinsel (siehe Abbildung 1) wurde am NPL in London strukturiert, um den Aharonov-Casher-Effekt als grundlegendes Quantenexperiment nachzuweisen, bei dem eine magnetische Flussdynamik, die eine elektrische Ladung umgibt, ein Interferenzverhalten zeigt. Dieses erfolgreiche Experiment stellt sowohl die Machbarkeit der NbN-Phase-Slip-Kontakte selbst als auch die erste experimentelle Realisierung einer Quanteneinheit auf Basis dieser neuartigen Tunnelkontakte dar – der CQUID (Charge Quantum Interference Device) [1]. Damit wurde ein wichtiger Schritt in Richtung einer neuen Klasse von Quanteneinheiten getan. Diese Ergebnisse können zu neuen Anwendungen führen, bspw. in der Quanteninformatik und Messtechnik. Für letzteres wird die Entwicklung eines Stromstandards mittels Phase-Slip-Kontakte in Analogie zum bestehenden Spannungsstandard basierend auf Josephson-Kontakten diskutiert. Die Funktionalität der NbN-Phase-Slip-Kontakte basiert auf den einzigartigen strukturellen und elektrischen Eigenschaften der mittels ALD hergestellten dünnen supraleitenden Schichten. Im Gegensatz zu epitaktischen bzw. hochkristallinen Dünnschichten, die für hochwertige Josephson-Kontakte benötigt werden, ermöglicht nur eine bestimmte Art von struktureller Störung [2] in Kombination mit Schichtdicken kleiner als 5 nm eine Flusstunnelung und damit die Funktion der NbN-Phase-Slip-Kontakte bei niedrigen Temperaturen. Die Schichtdicke der CQUID-Kontakte wurde mit 3,3 nm gut angepasst, was sehr nahe an einem scharfen Supraleiter-zu-Isolator-Übergang ist, wie er für ALD-NbN beobachtbar ist (siehe Abbildung 2). Auf diese Weise wurde die kinetische Induktivität unterhalb der kritischen Temperatur Tc entsprechend dem spezifischen Normalwiderstand oberhalb von Tc maximiert als weitere Anforderung der CQUID-Realisierung. Der sorgfältigen Optimierung des komplexen ALD-NbN-Prozesses [3] am Leibniz-IPHT innerhalb weniger Jahre ging die Entwicklung der beschriebenen Phase-Slip-Kontakte und das erfolgreiche Quantenexperiment voraus. Das Anwendungspotenzial der ALD-NbN-Dünnschichten ist jedoch noch größer. Auch die Realisierung von Einzelphotonen-Detektoren (SNSPDs) für die hochauflösende Spektroskopie profitiert von den einzigartigen Tieftemperatureigenschaften von ALD-NbN, siehe Leibniz-IPHT Jahresbericht 2016.a