Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Photonische Technologien haben gemeinsam mit Partnern in Jena und Europa laserbasierte Diagnoseverfahren erforscht, mit denen Infektionskrankheiten und deren Erreger sowie Bakterien und Resistenzen direkt diagnostiziert werden können. Patientinnen und Patienten könnten diese Verfahren künftig schneller zu einer zielgenauen Behandlung verhelfen — ein Meilenstein in der Infektionsdiagnostik.

Immer häufiger infizieren sich Menschen mit Keimen, gegen die verfügbare Antibiotika nicht mehr helfen. Solche resistenten Erreger gefährden Menschen weltweit. Denn sie könnten dazu führen, dass von Krankheiten, die heute gut zu behandeln sind, in naher Zukunft wieder eine tödliche Gefahr ausgeht und scheinbar einfache Routineeingriffe zum unkalkulierbaren Risiko werden.

Die Ursache ist ein Teufelskreis: Es fehlt an schnellen Verfahren für die Diagnose, so dass Mediziner zunächst weder den Erreger noch seine Resistenzen bestimmen können. Deshalb werden Patient*innen mit lebensbedrohlichen Infektionen unter Zeitdruck erst einmal mit Breitband- oder Reserveantibiotika behandelt, die noch einen Erfolg erhoffen lassen. „Wir schießen unter Umständen mit Kanonen auf Spatzen“, erläutert Prof. Michael Bauer, der am Uniklinikum Jena die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin leitet. „Das begünstigt das Entstehen neuer Resistenzen.“ Die Folge: Reserveantibiotika werden zunehmend wirkungslos, die Resistenzlage verschärft sich weiter. Moderne optische erfahren haben das Potenzial diesen Teufelskreis zu durchbrechen und somit die Diagnostik und personalisierte Behandlung von Infektionskrankheiten zu revolutionieren.

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Weniger Blut, mehr Informationen: Schwere Krankheitsverläufe früh erkennen

Mit einem im EU-Projekt HemoSpec entwickelten Verfahren lässt sich die Wirtsantwort, also die Reaktion des menschlichen Körpers, auf die Infektion analysieren. Der menschliche Körper bekämpft eindringende Krankheitserreger, indem er sein Immunsystem aktiviert. Weiße Blutzellen sind ein wichtiger Teil des Immunsystems. Im menschlichen Blut „patrouillieren“ zirka 10.000 weißen Blutzellen pro Mikroliter, also etwa 10 Millionen Zellen pro Milliliter. Im Falle einer Infektion werden diese Zellen aktiviert und reagieren wie eine Schutzpolizei: sie produzieren Botenstoffe, scheiden Antikörper aus oder versuchen die eindringenden Erreger aufzufressen und unschädlich zu machen. Durch die Aktivierung wird auch ihr molekularer Fingerabdruck verändert. Ein halber Milliliter Patientenblut ist ausreichend, um die weißen Blutzellen mit Hilfe eines spektroskopischen Hochdurchsatzverfahrens zu analysieren. Dafür wurde am Leibniz-Institut für Photonische Technologien ein Spektrometer entwickelt, dass mehr als 1.000 Zellen in nur 20 Minuten vermessen kann. Die resultierenden Spektren werden mit Hilfe von Verfahren der künstlichen Intelligenz ausgewertet. Es kann dann eine Aussage getroffen werden, ob die Patientin bzw. der Patient an einer Infektion erkrankt ist. Außerdem verrät der molekulare Fingerabdruck der weißen Blutzellen, ob die Immunantwort auf eine Infektion angemessen ist oder ob es sich um eine überschwängliche Reaktion handelt, die nicht nur den Erreger, sondern auch den Körper selbst schädigt, also ob es sich um eine Sepsis handelt und die Patientin oder der Patient zusätzliche medizinische Hilfe benötigt.

Für eine zielgerichtete Behandlung muss der Arzt außerdem wissen, welche Erreger die Infektion hervorrufen: ob es Viren, Bakterien oder Pilze sind. Auch hier liefert das spektroskopische Verfahren wichtige Hinweise.

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Ein Chip, der ein Labor ersetzt

Ein Wissenschaftlerteam des Leibniz-IPHT, der Universität und des Uniklinikums Jena hat eine Lösung erforscht mit dem Potential, die Infektionsdiagnostik zu revolutionieren: einen laserbasierten Schnelltest, der Ärzten in kürzester Zeit die entscheidenden Informationen liefert, um mit der optimalen Behandlung zu starten — zielgerichtet statt mit Breitband-Antibiotika. Mit dem Verfahren können Bakterien und Resistenzen innerhalb von 3 Stunden diagnostiziert werden. Mit derzeit angewandten mikrobiologischen Methoden müssen Mediziner bis zu 3 Tage warten, bis sie wissen, welches Bakterium die Infektion auslöst und welche Medikamente dagegen wirken. Selbst mit automatisierten biochemischen Tests vergeht ein Arbeitstag, bis das Ergebnis vorliegt.

Die Alternative der Jenaer Forscher ist schnell, kostengünstig und universell einsetzbar: Wenige Tropfen einer Patientenprobe genügen, damit Ärzte Krankheitserreger und Antibiotika-Resistenzen einfach ablesen können. Mit spektroskopischen Mitteln nehmen die Forscher den molekularen Fingerabdruck der Erreger. Die Bakterien werden mit Laserlicht bestrahlt. Gleichzeitig aufgenommene Mikroskopbilder zeigen, wie sie auf verschiedene Antibiotika reagieren. Schon nach zwei Stunden Messzeit zeigen sich minimale Unterschiede in den Spektren der Erreger. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz liefert der Schnelltest hieraus einen „Medikamenten-Effektivitäts-Score“, an dem Mediziner erkennen, mit welchem Keim sie es zu tun haben, welches Antibiotikum dagegen wirkt und wie hoch die Dosis sein muss.

„Eine potentiell lebensrettende Entwicklung“, urteilt Michael Bauer. „Mit Potential sowohl für den einzelnen Patienten als auch für das Gesundheitssystem. Denn sie könnte helfen, uns aus der Resistenz-Misere zu befreien.“ Die weitere Ausbreitung von Resistenzen wird durch passgenaue Therapien eingedämmt und in den Gesundheitssystemen werden erhebliche Kosten eingespart.

Wie der RAMANBIOASSAYTM funktioniert

  1. Herzstück ist ein Chip, auf den die Bakterien aus einer Patientenprobe (z.B. Urin) aufgetragen werden. In der derzeitigen Ausführung können 4 verschiedene Antibiotika in jeweils 4 Konzentrationen vorgelegt werden. Damit ist der Chip direkt einsatzfähig.
  2. Nach 35 Minuten ist die Identifizierung des Erregers über eine Referenzmessung mittels Raman-Spektroskopie abgeschlossen.
  3. Parallel dazu beginnt die Analyse des Resistenzprofils: Anhand von morphologischen Veränderungen der Erreger und charakteristischen Veränderungen im Raman-Spektrum wird festgestellt, gegen welchen Wirkstoff eine Resistenz vorliegt.
  4. Diese Informationen ergeben sich aus einer computergestützten statistischen Auswertung der Bilddaten sowie chemischen Informationen.
  5. Nach 2 bis 3,5 Stunden zeigt das Resistogramm an, gegen welchen Wirkstoff eine Resistenz vorliegt und wie wirksame Antibiotika dosiert werden müssen.