Retardierte molekulare Prozesse in Flüssigkernfasern beeinflussen entscheidend die breitbandige, nichtlineare Lichterzeugung, bekannt als Superkontinuumsgeneration. Eine Reduzierung der Bandbreite bei Verbesserung der Kohärenz der Spektren ist eine klare Signatur von modifizierten Solitonendynamiken, deren Verständnis hochstabile, dynamisch einstellbare, breitbandige Lichtquellen verspricht.

Von MARIO CHEMNITZ // MARKUS SCHMIDT

Optische Fasern haben sich aufgrund langer Propagationslängen und Freiheitsgrade im Dispersionsmanagement von intensiven Lichtpulsen als hocheffiziente Plattform für die nichtlineare Lichtgeneration erwiesen. Insbesondere das Phänomen der Superkontinuumsgeneration, d.h. der starken spektralen Verbreiterung eines Pumplaserpulses, hier als Folge von komplexen Formationsprozessen (Soliton Fission) von optisch-selbsterhaltenden Zuständen (Solitonen) und assoziierter Abstrahlung von dispersiven Wellen im kurzwelligen Bereich, steht im Fokus von Forschung und Laserentwicklung. Superkontinuumsquellen mit Spektralbereichen vom Ultravioletten bis ins mittlere Infrarote haben ein großes Anwendungspotential in der Biophotonik, Medizintechnik und Materialanalyse.

Konventionelle, teilweise kommerzialisierte Methoden zur Erzeugung von Superkontinuen basieren auf instantanen, nichtlinearen Prozessen in Glasfasern und bestechen in mehreren Oktaven spektraler Bandbreite (bspw. fused silica: 400-2400 nm, ~2,5 Oktaven). Diese Methoden haben jedoch entscheidende Nachteile hinsichtlich der Erhaltung der spektralen Puls-zu-Puls-Stabilität, auch als zeitliche Kohärenz bezeichnet. Dies limitiert die Anwendbarkeit von faserintegrierten Superkontinuumsquellen drastisch, besonders hinsichtlich der Rekomprimierbarkeit der Spektren zur Erzeugung von Attosekundenpulsen oder der pulsweisen Nutzbarkeit der Spektren für ultraschnelle Spektroskopiemethoden im GHz-Bereich. Der Ursprung dieser spektralen Instabilität liegt in der Verstärkung kleinster Rauscheffekte auf Quantenlevel durch Modulationsinstabilitäten des Eingangspulses im anormalen Dispersionsbereich.

Flüssigkernfasern könnten dieses Stabilitätslimit durchbrechen und versprechen viel Potential für die nichtlineare Lichtgeneration aufgrund der Rekonfigurierbarkeit des Kernmediums und externer Dispersionskontrolle. Unsere aktuellen Studien zur breitbandigen, nichtlinearen Lichterzeugung in CS2/silica Stufenindexfasern mittels eines Thulium-Pumplasers (1.95 µm, 450 fs) ermöglichen einen ersten Einblick in die komplexen Verbreiterungsprozesse im anomalen Dispersionsbereich unter dem starken Einfluss molekularer Nichtlinearitäten (Vgl. schematische Abb. 1), welcher bisher kaum verstanden ist.

Die retardierten, nichtlinearen Dynamiken in Flüssigkernfasern (bspw. die molekulare Reorientierung von Schwefelkohlenstoffmolekülen (CS2) mit einer Abklingzeit von 1.6 ps) ermöglichen eine signifikante Reduzierung des Eingangsrauschens und tragen damit zum Erhalt der Kohärenz während des Verbreiterungsprozesses bei. Diesen Effekt leiten wir auf Grundlage von gemessenen Superkontinuumsspektren ab, die deutlich erkennbare spektrale Modulationen (Interferenzstrukturen; Vgl. Abb. 2) im kurzwelligen Infraroten aufweisen. Diese Modulationen erscheinen allein aufgrund einer hohen Kohärenz zwischen den Einzelpulsen in dem langen Messprozess des Spektrometers. Das korreliert mit Simulationsergebnissen zur breitbandigen, nichtlinearen Pulspropagation basierend auf den aktuellsten Modellen der optischen Eigenschaften von CS2 (wie Absorption, Dispersion und nichtlineare Response). 

Die Simulation ermöglicht auch den direkten Vergleich zwischen einer realitätsnahen Flüssigkernfaser und einer hypothetischen Glasfaser zur Untersuchung des Einflusses der nichtinstantanen Nichtlinearität auf die Superkontinuumsgeneration. Aus dem direkten Vergleich der aus 100 Einzelspektren gemittelten Spektren (Abb. 3a, c) erkennt man eine deutliche Reduzierung der spektralen Bandbreite im Fall der Flüssigkernfaser. Zudem beobachtet man, ähnlich wie im Experiment, dispersive Wellengeneration (DWG) als dominierenden Verbreiterungseffekt in Flüssigkernfasern, welches dem Auftreten von Modulationsinstabilitäten (MI) in der Glasfaser entgegen steht, erkennbar an charakteristischen spektralen Modulationen (Vgl. Markierungen in Abb. 3a, c).

Das Auftauchen von MI stellt ein wohl bekanntes Limit an Pulsdauer (<150 fs) und Spitzenleistung (sodass Solitonenzahl <15) des Pumppulses dar, oberhalb dessen geringfügiges Photonenrauschen genügt, um den Pumppuls chaotisch in viele Solitonen verschiedener Phasen aufbrechen zu lassen. Dieser Prozess kann als Rauschverstärkung verstanden werden. Trotz des sehr breiten und flachen mittleren Spektrums (Vgl. Abb. 3c) sind solche Superkontinuen nur bedingt nutzbar, denn die spektrale Korrelation zwischen den Pulsen geht aufgrund der chaotischen Natur der MI verloren, was sich in der drastischen Verschlechterung der Kohärenz wiederspiegelt (Vgl. Abb. 3d). Im Fall der Flüssigkernfaser hingegen decken sich aufeinanderfolgende Einzelspektren und die Kohärenz verbessert sich deutlich (Vgl. Abb. 3b), sogar bei Pulsbreiten (450 fs) weit oberhalb des gewöhnlichen Stabilitätslimits.  

Zusammenfassend lässt sich aus dem Vergleich von experimentellen und numerischen Ergebnissen folgern, dass nichtinstantane Nichtlinearitäten den Einfluss von Rauscheffekten auf die spektrale Verbreiterung signifikant vermindern. Diese außergewöhnlichen Eigenschaften der Superkontinuumsspektren sind klare Signaturen einer modifizierten Solitonendynamik. Eine direkte, experimentelle Demonstration der verbesserten Kohärenzeigenschaften der Superkontinuen aus Flüssigkernfasern scheitert derzeit an geeigneten Referenzsystemen, d.h. Fasersystemen mit ähnlichen Dispersionseigenschaften, aber glasähnlicher Nichtlinearität. Aus diesem Grund untersuchen wir weitere Kernfluide, wie bspw. Carbon Tetrachlorid (CCl4) und Tetrachloroethylene (C2Cl4), die sich stark in ihrem nichtlineare Responseverhalten unterscheiden [2]. Beide Flüssigkeiten ermöglichen effiziente Superkontinuumsgeneration in dispersionsoptimierten Stufenindexfaserdesigns, wobei sich insbesondere C2Cl4 als potentiell transparentere Alternative für CS2herausstellt, welches in naher Zukunft genauere Erkenntnisse über die modifizierten Solitonendynamiken auf deutlich längeren Propagationsstrecken ermöglichen wird. 

Gefördert von: DFG, FREISTAAT THÜRINGEN, ESF, EFRE