Viren sind ständig in Bewegung. Und sie sind so klein – die Virus­partikel von SARS-CoV-2 messen im Schnitt knapp 100 Nanometer –, dass man sie unter dem Mikroskop nicht sehen kann. Um die winzigen Nanopartikel zu charakterisieren und ihre Dynamik zu beobachten, sperrt Markus Schmidt sie ein – in eine Faser. Dafür haben er und sein Team mit den Expertinnen und Experten vom Kompetenz­zentrum für Spezialfaser­optik am Leibniz-IPHT eine ausgeklügelte mikrostrukturierte Faser mit speziellen optischen Eigenschaften entwickelt. Sie hat einen hohlen Kern und lässt sich nutzen wie ein Analysegefäß. „Wir füllen eine Lösung mit den zu untersuchenden Nano-Objekten – also beispielsweise Viren – in die Faser, koppeln Licht ein und schauen uns an, wie die Viren diffundieren“, erklärt Markus Schmidt die Methode.

Dabei bringt die einzigartige Mikrostruktur der von hauchdünnen Glasmembranen durchzogenen Faser einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie beschränkt die laterale Diffusion der Partikel. Sprich: Die Viren im Hohlkern können nicht wegschwimmen. Das gibt den Forschenden die Möglichkeit, die Lichtstreuung einzelner Partikel über lange Zeiträume zu beobachten. „Wir können uns die Viren in bis zu 100.000 Bildern anschauen“, sagt Markus Schmidt. Das sind deutlich mehr Bilder als Forschende mit herkömmlichen Methoden erzielen, die typischerweise 200 bis 500 Bilder liefern.

„Das verbessert die Aussagefähigkeit über die Größenverteilung der Partikel in der Probe enorm“, so Schmidt. Etwa 1.000 Partikel analysieren er und sein Team in einer Probe. Die Größenverteilung dient ihnen als Maßstab, um herauszufinden, ob sich das Virus verändert – ob es sich beispielsweise unter dem Einfluss von UV-Strahlung zersetzt.

„Indem wir die elastische Streuung messen, können wir, ohne zuvor bleichen oder anfärben zu müssen, Aussagen über einzelne Nanopartikel treffen – und zwar präziser als dies mit bisherigen nicht-invasiven Methoden möglich ist“, bringt Schmidt den Vorteil des Verfahrens auf den Punkt. In Zusammenarbeit mit der Forschungs­abteilung „Optisch-molekulare Diagnostik und Systemtechnologie“ haben er und sein Team dies in Experimenten mit Lambda-Phagen bereits erfolgreich gezeigt. Die sind sogar noch kleiner als SARS-CoV-2-Viren.

Für die Erforschung des Coronavirus arbeiten die Faserphotonik-Expertinnen und -Experten nun mit der Virologie des Universitätsklinikums zusammen. Erste erfolgreiche Experimente mit SARS-CoV-2-Viren haben sie bereits durchgeführt. Nun arbeiten sie die Methode weiter aus. „Unser Ziel ist es, SARS-CoV-2 zuverlässig und markerfrei zu erkennen und über die lange Beobachtungszeit von Einzelviren Informationen zu gewinnen“, blickt Markus Schmidt voraus.