Das Team um Christian Eggeling und Pablo Carravilla will sichtbar machen, wie das ­Coronavirus in die Zelle eindringt und seine Angriffspunkte identifizieren

Sars-CoV-2 gehört zur Familie der Coronaviren. Sie heißen so, weil ihre vielen Stacheln an eine Krone erinnern. Mit diesen Stacheln, den sogenannten Spike-Proteinen, dockt das Virus an die menschliche Zelle an und kapert sie. So schleust das Virus sein Betriebsprogramm in die Zelle ein und lässt sie dadurch neue Viren produzieren. Der Erreger benutzt seinen Wirt, um sich zu vermehren.

Christian Eggeling und Pablo Carravilla wollen herausfinden, wie man diesen Vorgang blockieren kann. „Dazu untersuchen wir, wie Viren in Zellen eindringen, insbesondere, welche Prozesse an der Zellmembran, der Pforte zur Zelle, ablaufen“, erläutert Christian Eggeling, der am Leibniz-IPHT die Forschungsabteilung „Biophysikalische Bildgebung“ leitet. Um die molekulare Struktur und Dynamik des Virus zu untersuchen, nutzen die Forschenden superauflösende Fluoreszenz-STED-Mikroskopie; die umgeht die Auflösungsgrenze der optischen Mikroskopie und macht es möglich, dynamische Prozesse in den winzig kleinen Viren detailliert sichtbar zu machen.

Dem Virus den Durchgang versperren

Mithilfe höchstauflösender Bildgebung haben Eggeling und Carravilla bereits erforscht, wie sich HI-Viren, Auslöser der AIDS Krankheit, zwischen lebenden T-Helferzellen verbreiten und beobachtet, wie das Virus auf neutralisierende Antikörper reagiert. „Dabei haben wir potentielle Angriffspunkte identifiziert, an denen antivirale Medikamente ansetzen können“, berichtet ­Christian Eggeling. Das sind zum einen Besonderheiten in der Zell- und Virusmembran, um ein Andocken an die Wirtszelle abzuschwächen oder sogar zu verhindern; zum anderen ist es die Schleuse, durch die das HIV-Virus wieder aus der Zelle heraustritt – nachdem es sich in ihr vermehrt hat –, um weitere Zellen zu infizieren.

Um herauszufinden, wie SARS-CoV-2 in die menschliche Zelle eindringt, stellen die Forscher so genannte Pseudoviren her — ein Kniff, den sie auch für ihre Untersuchung des AIDS-Erregers nutzen. „Sie haben eine Oberfläche wie das richtige Virus und die gleiche Fähigkeit, in Zellen einzudringen, sind aber nicht reproduktionsfähig und daher nicht pathogen“, erläutert Pablo Carravilla. Somit können Experimente auch in Laboren mit niedriger Sicherheitsstufe durchgeführt werden.

Die virusähnlichen Partikel bestehen aus einem Kern mit lentiviralen Genen — zur Gattung der Lentiviren gehört auch das HI-Virus — und einer Hülle mit den Oberflächenproteinen von SARS-CoV-2. Außerdem bauen die Forscher noch ein fluoreszierendes Protein ein, das die virusähnlichen Partikel unter dem Mikroskop sichtbar macht. Diese Pseudoviren hat das Forscherteam auch anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für eigene ­Messungen zur Verfügung gestellt.

Um die Prozesse, in denen Pathogene wie Viren, Bakterien oder Pilze unseren Organismus infizieren, nicht allein an einzelnen Zellen zu beobachten, sondern herauszufinden, wie diese Infektion in einer natürlicheren Umgebung von Zellschichten abläuft, arbeiten die IPHT-Forscher wie viele weitere Jenaer Forschungsteams mit Alexander Mosig und seiner Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum zusammen. Mosig und sein Team entwickeln Biochips, die komplexe Organfunktionen nachbilden, um mit diesen Chips bestimmte Aspekte dieser Organfunktionen unter Laborbedingungen zu untersuchen. „Für viele Pathogene wie SARS-CoV-2 aber auch andere Viren wie den Influenza-Virus, den Auslöser der jährlichen Grippe, sind dies Lungen-Chip-Modelle — eine Lunge auf dem Chip“, sagt Christian Eggeling. Dafür legen die Forschenden derzeit die Grundlagen, indem sie zum Beispiel die erweiterte Bildgebung innerhalb der Chips optimieren.

Mit Forschenden vom Universitätsklinikum Jena unter der Leitung von Ralf Mrowka, von der TU Ilmenau sowie der Forschungsabteilung „Spektroskopie / Bildgebung“ von Jürgen Popp am Leibniz-IPHT entwickelt ­Eggelings Team außerdem ein optisch-photonisches Nachweisverfahren, um SARS-CoV-2 aus Patientenproben schnell und effizient zu diagnostizieren und zu quantifizieren. Gefördert vom Freistaat Thüringen, untersucht die Forschergruppe „SARS-rapid“ am Thüringer Innovationszentrum für Medizintechnik-Lösungen (ThIMEDOP), wie das neuartige Coronavirus mit der Wirtszelle interagiert. Hierbei werden auch die virusähnlichen Partikel weiterentwickelt.

Per Medikamenten-Taxi zum Entzündungsort

Ein neuartiges Verfahren, um Infektionen und Entzündungsreaktionen mithilfe von maßgeschneiderten Nanopartikeln direkt am Ort der Entzündung zu behandeln, entwickelt ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Chemie, Biochemie, Physik, Materialwissenschaft, Medizin und Pharmazie am Sonderforschungsbereich (SFB) Polytarget an der Universität Jena, an dem auch das Leibniz-IPHT mit mehreren Forschungsabteilungen beteiligt ist. Gemeinsam mit dem Chemiker und SFB-Sprecher Ulrich Schubert und dem Intensivmediziner Michael Bauer planen Christian Eggeling und sein Team, Träger für antivirale Substanzen am Beispiel von Sars-CoV-2 zu erforschen. „Grundlage sind virusähnliche, polymere Nanopartikel. Diese sollen die Substanzen schützen und zu den richtigen Gewebezellen leiten“, so Christian Eggeling. Die Nanopartikel-Behandlung könne man sich vorstellen wie ein Taxi mit GPS, erläutert Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum und stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs. „Dieses Taxi transportiert die Arzneimittel zum Bestimmungsort im Körper und bringt sie dort zielgenau zur Wirkung.“