Es wird ein integrierter mikrofluidischer Aufbau vorgestellt, welcher Bakterien aus verdünnten Suspensionen (z.B. Urin) lokal anreichert, um sie anschließend detailliert Raman-spektroskopisch zu charakterisieren. Auf diese Weise stehen innerhalb von 3,5 Stunden Informationen über die Antibiotikaresistenz zur Verfügung, die dem behandelnden Arzt helfen können, dem Patienten eine maßgeschneiderte, schmalbandige Antibiotikatherapie zu verschreiben.

Von Ute Neugebauer // Ulrich-Christian Schröder // Johanna Kirchhoff // Uwe Glaser // Uwe Hübner // Günter Mayer // Thomas Henkel // Wolfgang Fritzsche // Jürgen Popp

In Zeiten steigender Antibiotikaresistenzen sind neue und präzise Methoden dringend erforderlich, mit denen die antibiotische Empfindlichkeit von infektionsauslösenden Krankheitserregern innerhalb weniger Stunden bestimmt werden kann. Etablierte Methoden der mikrobiologischen Praxis sind sehr genau und kostengünstig. Sie basieren jedoch auf der Kultivierung von Bakterien aus der Patientenprobe und benötigen so mindestens einen Tag, oft sogar bis zu zwei oder drei Tagen. Eine Kultivierung ist notwendig, um genügend biologisches Material des bakteriellen Erregers für nachfolgende Tests zu erzeugen.

Wir berichten hier über einen integrierten mikrofluidischen Aufbau (siehe Abbildung 1a), welcher es ermöglicht, Bakterien direkt aus verdünnten Suspensionen (bspw. Urinproben von Patienten) zu erfassen und den Erreger einschließlich seiner antibiotischen Empfindlichkeit markierungs- und zerstörungsfrei Raman-spektroskopisch zu charakterisieren (Schröder et al. J. Biophotonics 2017). Vorteile dieses mikrofluidischen Aufbaus sind die minimale Probenvorbereitung vor dem Aufbringen der Probe auf den Chip und die automatisierte Probenverarbeitung auf dem Chip, was für den Bediener minimale aktive Bearbeitung und minimale Interaktionszeit mit infektiösem Material bedeutet. Gleichzeitig können genaue Ergebnisse aus der spektroskopischen Analyse innerhalb kürzester Zeit gewonnen werden, wodurch die Bestimmung der Antibiotikaempfindlichkeit beschleunigt wird, um resistente Stämme innerhalb weniger Stunden (< 3,5 Stunden einschließlich aller Präparationsschritte) zu identifizieren.

Zur Durchführung der On-Chip-Analyse wird eine kleine Menge (< 100 Mikroliter) der Bakteriensuspension in Spritzen gefüllt und automatisch in den Mikrofluidik-Chip gepumpt. In der Analysekammer erzeugen sinusförmige Elektroden (siehe Bild 1c) ein inhomogenes elektrisches Feld, so dass eine dielektrophoretische Kraft auf die Bakterienpartikel einwirkt, die durch den Chip gepumpt werden. Während die Flüssigkeit weiterhin durch den Chip fließt, werden die Bakterien im Bereich der Wellenspitze zurückgehalten, wo sie sich ansammeln (siehe Abbildung 1c und vergrößert in Abbildung 1d). Ein automatisierter Medienaustausch ist möglich, der notwendig sein kann, um einen starken Fluoreszenzhintergrund in der Raman-Analyse zu vermeiden, der durch unterschiedliche gelöste Substanzen in der Urinprobe des Patienten hervorgerufen wird.

Die Bakterienwolke (siehe Abbildung 1d) ist nun im Fokus des Lasers, der für die Raman-Charakterisierung eingesetzt wird. Hochwertige Raman-Spektren können innerhalb von 1 s / Spektrum gewonnen werden. Um einen repräsentativen Überblick zu erhalten, wurden 300 Spektren an 6 verschiedenen Erfassungsorten gesammelt. Um resistente Bakterien zu identifizieren, müssen deren Raman-Spektren in Gegenwart und Abwesenheit des jeweiligen Antibiotikums verglichen werden. Exemplarisch wurde dies für Escherichia coli, dem häufigsten Erreger bei Harnwegsinfektionen, und dem häufig verschriebenen Fluorchinolon-Medikament Ciprofloxacin gezeigt. Abbildung 1b zeigt das unterschiedliche Verhalten von empfindlichen E. coli (E. coli AG100) und resistenten E. coli (E. coli 3AG100) in Bezug auf den Ciprofloxacin-Wirkungs-Score, der aus den Raman-Daten berechnet wurde. Während behandelte empfindliche Bakterien (grau) einen negativen Ciprofloxacin-Wirkungs-Score aufweisen, haben resistente Bakterien einen positiven Wert – wie die unbehandelte Kontrollgruppe (weiß). Eine klare Unterscheidung ist bereits nach 60 Minuten Interaktionszeit möglich.

Häufig interessiert den behandelnden Arzt und Infektiologen nicht nur, ob der Erreger empfindlich oder resistent gegenüber einem bestimmten Antibiotikum ist, sondern auch die minimale Hemmkonzentration (MHK). Dies ist die niedrigste Konzentration eines Wirkstoffes, die sichtbares Wachstum der Bakterien verhindert. Der Goldstandard zur Bestimmung der MHK ist ein Übernacht-Bouillon-Mikroverdünnungstest. In der klinischen Praxis werden häufig automatisierte Laborgeräte eingesetzt (bspw. Vitek 2 von bioMérieux oder Phoenix von BD), die in der Regel ebenfalls 8 Stunden bis zum Ergebnis benötigen. Die Raman-Spektroskopie birgt das Potenzial, diese Analyse zu beschleunigen, wie kürzlich am Beispiel von E. coli und Ciprofloxacin gezeigt wurde (Kirchhoff et al., Anal. Chem.). Ein Algorithmus wurde vorgestellt, der eine Bestimmung der MHK in weniger als zwei Stunden ermöglicht und erfolgreich für die Charakterisierung mehrerer klinischer Isolate von Sepsis-Patienten eingesetzt wurde.

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