Verborgen unter Steppen- und Ackerland im Orchon-Tal der zentralen Mongolei liegt die 800 Jahre alte Herrscherstadt Karakorum, Zentrum des ehemaligen mongolischen Reiches und jetzt UNESCO Weltkulturerbe. Forschende aus Jena und Bonn haben die Stadt und das umliegende Gelände vermessen und herausgefunden, dass die frühere Metropole deutlich größer war als bisher angenommen.

Mit einem Jeep haben die Forschenden ihr Messsystem aus Magnetfeldsensoren – sogenannten SQUID (Supraleitende Quanten Interferenz Detektoren) – und einem differentiellen GPS-System über eine Fläche von über 650 Fußballfeldern gezogen, um die Überreste der alten Stadt zu kartieren. Das System misst kleinste Änderungen des Erdmagnetfelds mit sehr hoher Auflösung und kann durch diese zerstörungsfreie geomagnetische Abtastung anthropogene, über der Erde nicht sichtbare Bodenstrukturen sehr detailliert vermessen.

Dr. Sven Linzen, Dr. Ronny Stolz und das Team der Abteilung Quantensysteme konnten so gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn erstmals einen umfassenden geomagnetischen und topographischen Vermessungsplan für dieses Gebiet erstellen. Daraus gewannen sie Erkenntnisse, wie die Stadt gegliedert war, wie sie sich entwickelt hat und welche Verkehrswege und Handelsrouten zu ihr führten.

Bei den Expeditionen in die zentrale Mongolei hatten die Forschenden einige Herausforderungen zu bestehen: Das Messsystem musste aufgrund von verbauten Lithium-Akkus über den Landweg nach Asien transportiert werden und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren im Jurtenzeltlager ohne stabile Stromversorgung untergebracht. Das Expeditions-Team wie auch die Sensorik musste Lufttemperaturunterschiede von -5 bis an die 40 Grad aushalten. Sven Linzen ist stolz auf den Teamerfolg: „Für die Messungen und die Interpretation der großen Datenmengen müssen Physik und Archäologie eng zusammenarbeiten.“ Die gelungene Kooperation wurde 2021 mit einer Hervorhebung der publizierten Forschungsergebnisse als „Research Highlight“ in der Fachzeitschrift Nature belohnt.

Zentimetergenaues Geländemodell der Staadtanlage, berechnet aus den Messdaten der SQUID-Systems in (a) absoluter und (b) relativer Höhendarstellund. Ein Profilschnitt durch das Stadtzentrum ist in (c) gezeigt. Abbildung aus Antiquity

SQUID: Vielseitig einsetzbar

Die Erforschung von SQUID in Jena reicht bis in das Jahr 1968 zurück. Anfangs wurden die haarfeinen Strukturen der SQUID noch von Hand unter dem Mikroskop gekratzt. Im Reinraum lassen sich durch Dünnschicht- und Lithographietechniken heute SQUID mit Strukturen im Nanometerbereich erzeugen. Sie gehören zu den empfindlichsten weltweit und ermöglichen Magnetfeldmessungen mit geringem Rauschen und sehr hoher Magnetfeldauflösung. SQUID aus dem Leibniz-IPHT werden in vielen Bereichen eingesetzt – auf der Erde, in der Luft und auch unter Wasser. Etwa, um magnetische Anomalien in der Erdkruste aufzuspüren, um mineralische Lagerstätten oder geothermische Potentiale zu suchen oder um Altlasten, Altmunition und Blindgänger im Boden zu identifizieren. Gemeinsam mit der 2001 ausgegründeten Firma Supracon arbeitet das Team von Ronny Stolz daran, solche Systeme zu kommerzialisieren, zum Beispiel für die Baugrunderkundung. „Durch die Zusammenarbeit mit Supracon kommt unsere Sensorik flächendeckend zum Einsatz. Ein schönes Beispiel für den gelungenen Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis. In der Forschung arbeiten wir gerade daran, unser Messsystem mithilfe optischer Magnetfeldsensoren weiterzuentwickeln“, gibt der Forschungsabteilungsleiter einen Ausblick.

Die Forschenden waren währen der Expedition in Jurtenzeltlagern untergebracht.