Forschende entwickeln ein chemisches System, das Lichtenergie sammelt und für mehrere Stunden auf einem Molekül speichert

Die Natur hat das Problem bereits gelöst: In der Photosynthese wandeln Pflanzen Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlicht in chemische Verbindungen um — und zwar so, dass die in chemischen Bindungen gespeicherte Sonnenenergie auch dann zur Verfügung steht, wenn es dunkel ist. Forschende versuchen, diesen Prozess nach dem Vorbild der Natur nachzuahmen. Gelänge es, die Energie aus der Sonne ebenso effizient zu nutzen und in chemische Energie umzuwandeln wie die Natur, ließe sich der weltweite CO2-Ausstoß drastisch verringern. Allerdings funktioniert die solargetriebene Photochemie mangels geeigneter Speichermöglichkeiten bislang nur bei Helligkeit.

Forschende vom Leibniz-IPHT und der Universität Jena haben nun einen molekularen Ansatz zur Speicherung von Sonnenenergie vorgestellt, mit dem es erstmals gelingt, photochemische Reaktionen unabhängig vom Tageslicht stattfinden zu lassen. Sie haben ein chemisches System entwickelt, das Lichtenergie sammelt und auf einem Molekül speichert. Der molekulare Speicher auf der Basis eines Kupferkomplexes entkoppelt damit photochemische Prozesse vom Tag-Nacht-Zyklus.

Lichtgetriebene ­Photo­chemie ­erstmals im Dunkeln möglich

Im Unterschied zu bisherigen Ansätzen, die auf Festkörpermaterialien basieren, erzeugen die Forschenden reaktive Photoredox-Äquivalente auf einem kleinen Molekül. Damit können sie die Lichtenergie nicht nur über eine zuvor nicht erreichte Dauer von mindestens 14 Stunden speichern, sondern sie bei Bedarf auch regenerieren.

„Die Abhängigkeit von Helligkeit und Dunkelheit war bislang eine große Hürde, wenn es darum ging, die solarbetriebene Photochemie für kontinuierliche industrielle Produktionsprozesse einzusetzen“, erläutert Erstautor Martin Schulz, der an der Universität Jena sowie in der Forschungsabteilung „Funktionale Grenzflächen“ am Leibniz-IPHT forscht. „Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse neue Möglichkeiten eröffnen, um Systeme zur Umwandlung und Speicherung von Sonnenenergie sowie für die Photo(redox)katalyse zu erforschen.“

Hohe Ladekapazität auch nach mehreren Zyklen

Im chemischen System, das die Jenaer Forschenden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „CataLight“ entwickelten, befinden sich der Photosensibilisator und die Ladungsspeichereinheit auf demselben kleinen Molekül. Dies macht den intermolekularen Ladungstransfer zwischen einem separaten Sensibilisator und einer Ladungsspeichereinheit überflüssig. Das System behält auch nach vier Zyklen Dreiviertel seiner Ladekapazität bei.

Die Forschenden nutzen einen Kupferkomplex und somit ein Molekül, das auf einem gut verfügbaren Metall basiert, während bisherige Ansätze auf seltene und teure Edelmetalle wie Ruthenium zurückgreifen. Der doppelt reduzierte Kupferkomplex kann nach der photochemischen Aufladung gelagert und als Reagenz in Dunkelreaktionen, etwa der Reduktion von Sauerstoff, verwendet werden.

Den Ansatz erarbeiteten die Jenaer Forschenden gemeinsam mit Partnern der Universität Ulm, des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden und der Dublin City University im Sonderforschungsbereich „CataLight“ („Light-driven Molecular Catalysts in Hierarchically Structured Materials – Synthesis and Mechanistic Studies“). Hier erforschen Wissenschaftlerteams der Universitäten Jena und Ulm nachhaltige Energiewandler nach dem Vorbild der Natur.

Im Rahmen des SFB hatte ein anderes Team vom Leibniz-IPHT zuletzt ein weiteres wichtiges Puzzleteil geliefert. Den Forschenden war es erstmals gelungen, reaktive Zwischenstufen in ultraschnellen Elektronentransferschritten sichtbar zu machen (nachzulesen im Jahresbericht 2019). „Für unser gemeinsames Ziel, künstliche Photosynthese zu betreiben und zu verstehen, liefert das ein mächtiges Werkzeug, um die Einzelschritte lichtgetriebener Elektronentransferreaktionen zu entschlüsseln und zu verstehen – und zwar unter Prozessbedingungen“, erläutert Martin Schulz. „Wir wiederum entkoppeln effektiv Licht- und Dunkelreaktion, indem Lichtenergie umgewandelt und gespeichert wird. Das eröffnet uns eine völlig neue Möglichkeit, Photochemie zu betreiben: Zum einen können wir die Elektronen durch die langen Speicherzeiten quasi abzählen, wenn wir sie in der Dunkelreaktion nutzen.“ Zum anderen, sagt Schulz, ermögliche das System im Prinzip eine „Photokatalyse round-the-clock“.